
Loreto-Kapelle
Hofmarksherr Urban Schätzl erbaute 1622 die Kapelle „Zu Unserer Lieben Frau“, die er 1699 nach Größe und Form des Heiligen Hauses von Loretto /Provinz Ancona, Italien umbauen ließ. Die Lorettokapelle ist ein bekannter Wallfahrtsort und das Opfergeld der Kapellewurde zum Bau der Pfarrkirche verwendet.
Maria Loreto und Thyrnau
Auszug aus einem Vortrag von Dr. Herbert W. Wurster
“Am 26. November 1622 verpflichtete sich Urban Schätzl zu Hörmansperg auf Wazmanstorff und Thürnen, Passauischer Rat, Kammerer und Pfleger der Herrschaft Leoprechting (1561−1638) mit Urkunde gegenüber dem Bischöflichen Ordinariat Passau zum Unterhalt der von ihm in diesem Jahr bereits erbauten Kapelle zu Ehren Unserer Lieben Frauen in seiner Hofmark Thyrnau. Er reihte sich damit ein in die Reihe der bayerischen Adeligen, die ihre Frömmigkeit nicht in den Rahmen der von den bayerischen Herzögen gepflegten Verehrung der Maria Altötting eingrenzen lassen wollten, sondern dem Weg habsburgischer Frömmigkeit und barocken Glanzes folgten. In Thyrnau erstand zwar nur ein bescheidener Bau, der aber sollte für die künftige Entwicklung des Ortes entscheidend werden. Nach dem Vorbild der Casa Santa zu Loreto erbaute Urban Schätzl seine Kapelle auf der Kuppe eines Hügels; daher war er gezwungen, sich von der Watzmannstorfer Kirche St. Christopher zu lösen, denn diese liegt ja am ansteigenden Hang unterhalb des Ortes Thyrnau. Im Lauf der Jahrhunderte verschob sich der Ortskern nach Thyrnau, um die neue Mitte der Loreto-Kapelle und später auch noch der Pfarrkirche. Von hier zog sich die neue Ortsachse hin zum Kloster, dem früheren Hofmarksschloß.
Nach der Erbauung hören wir lange nichts mehr von der Loreto-Kapelle. Offenbar lassen die kriegerischen Ereignisse der Zeit, vor allem aber die Ausbreitung der Mariahilf-Verehrung im Bistum die kleine Kapelle nicht zu größerer, überörtlicher Bedeutung heranwachsen. Auch beim Besuch Kaiser Leopolds I. in Thyrnau im Jahre 1676 tritt sie nicht hervor. Erst 1692 erfahren wir wieder von der Kapelle. Mit Urkunde vom 25. August 1692 verkauft nämlich Wolf Friedrich Schätzl, Freiherr von und zu Hörmannsperg an Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg um 46.500 fl die Güter Hörmannsperg und Thürna. Zugleich verzichtet er auf das Patronatsrecht an der Maria-Loreto-Kapelle und auf die Vogteirechte über die St. Christophs-Tochterkirche sowie auf die Rechte am Armenspital <Heider, Nr. 175; siehe auch 176f.>. Mit diesem Verkauf und einigen weiteren Verkäufen endet die Besitzgeschichte der Schätzls im Hochstift, der fürstbischöfliche
Landesherr wird nun auch noch Hofmarksinhaber.
Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg (1689−1712) aus einem der führenden Hochadelsgeschlechter Österreichs ist einer der bekanntesten deutschen Staatsmänner um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Am 25. Mai 1689 wurde Lamberg zum Passauer Bischof gewählt und am 16. August des gleichen Jahres übernahm er die Regierung in Diözese und Hochstift Passau. 1700 wird Bischof Johann Philipp vom Kaiser zum Kardinal empfohlen. Im Jahre 1710 erhält er schließlich den Titel eines “Protector Germaniae”.
Die Loreto-Kapelle erhält in diesem großen Bischof einen neuen Förderer. Am 2. Mai 1699 schließt Lamberg mit Adam Derfler, bürgerlichem Maurermeister zu Passau einen Vertrag zur Verlängerung und Neuerbauung der Loreto-Kapelle. Als Lohn werden dem Baumeister 240 fl. zugesagt, die Materialkosten übernimmt der Bauherr. Die Fertigstellung des Baus ist geplant bis Stephani 1699.
Für die Ausstattung hat der Bischof mit Vertrag vom 04. Mai 1699 den Passauer Bildhauer Jacob Auer gewonnen. Ihm sind als Lohn 1300 fl. zugesagt. Diese Arbeiten sind offenbar auch planmäßig durchgeführt worden, denn die Quellen berichten nichts weiteres.
Auch für Thyrnau faßt der Bischof eine prachtvolle Lösung ins Auge, wie sie gerade in der Zeit anderswo auch realisiert worden waren, etwa im oberösterreichischen, damals passauischen Kloster Lambach. Es soll ein tatsächliches Abbild der Loreto-Kapelle erstehen, mitsamt dem äußeren Schmuck. Da aber der Aufwand für die Marmorverkleidung doch nicht zu finanzieren ist, greift man zu der billigeren, aber nicht weniger eindrucksvollen Lösung, die Außenfassaden mit Scheinarchitektur im Alfresco-Stil zu dekorieren. Mit Ausnahme der mariologischen Darstellungen und der Figuren, nämlich Propheten, Sibyllen und die Evangelisten, ist diese Malerei noch heute, allerdings restauriert erhalten. Sie zeigt die Renaissance-Dekoration der Casa Santa mit korinthischen Säulen, Gebälk und verkröpfter Balustrade sowie Giebelfeldern.
Das Innere imitiert die Casa Santa getreu. Nur wenig Licht dringt in die Kapelle. Die Nahtstelle zwischen der brüchigen Wand, quasi 2000jährigem Mauerwerk, und dem glatten Tonnengewölbe des 16. Jahrhunderts verweist auf die reale Baugeschichte des Heiligen Hauses. Die Fragmente der Freskomalerei und die Brandschwärzung spielen auf die Überlieferung an, daß das Feuer mehrfach Darstellungen der Madonna verschont hat. Der kleine Wandschrank links vom Altar der Nordwand nimmt das Brauchtum um die Casa Santa auf; es handelt sich hier um eine Nachbildung des sog. Santo Armario mit dem Geschirr Mariens, das ebenfalls die Brände überstanden haben soll.
1734/35 ist die Renovierung der Malereien notwendig; diese werden Joseph Schwarz in Passau übertragen. Nur wenige Jahre später, 1739, stiften in Aldersbach die Mannstorfer eine Loretokapelle, neben der Thyrnauer die zweite Casa Santa im Bistum Passau.
1765 stiftete Fürstbischof Kardinal Leopold Ernst Graf als Patron der Loreto-Kapelle ein Benefizium dorthin. Am 16.10.1766 wird dem Benefiziaten vom Geistlichen Rat in Passau folgende Dienstinstruktion erteilt <OA, Pfa I, 2>: Für die Besoldung des Benefiziaten werden die Erträgnisse der Wallfahrt herangezogen: Ab 1767 erhält er einen Drittelanteil aus den Geld- und Flachsopfern und von 1765 bis 1769 ließ er (Pfarr)Kirche und Pfarrhof errichten. Diese Arbeiten werden im wesentlichen aus dem Vermögen der Loreto-Kapelle bezahlt.
Mit der Aufklärung und der Säkularisation des Hochstifts Passau geht zunächst auch die Epoche der Wallfahrten zu Ende. Damit treten die Wallfahrtskirchen in den Hintergrund, werden unwichtige Nebenkirchen der jeweiligen Pfarreien, sie verlieren ihren Sinn und ihr geistliches Leben.
1893/94 erhält die Loreto-Kapelle unter Pfarrer Josef Kapfhammer (1868−1895) ein völlig verändertes Aussehen. Unter völliger Mißachtung der geschlossenen Bau-Konzeption eines Heiligen Hauses wird im Westen der Kirchturm angebaut, der die äußere Erscheinungsform zu der einer normalen Kirche werden läßt. Damit ist zwar das Problem Kirchturm gelöst, die Loreto-Verehrung aber beeinträchtigt. Dies zeigt sich auch an den Schicksalen der Kapelle in unserem Jahrhundert; sie tritt im pfarrlichen Leben kaum mehr in Erscheinung. 1949 findet allerdings aus Anlaß der 250Jahrfeier der Loreto-Kapelle eine Lichterprozession durch den Ort statt, an der 2.000 Gläubige teilnehmen. Vielleicht ist aber die Renovierung der Kapelle in den Jahren von 1973 bis 1981 <Handbuch 1981, 474> Ausgangspunkt für eine Verlebendigung der Maria Loreto-Verehrung in Thyrnau, das mit der Casa Santa ein einzigartiges Denkmal der religiösen Baukunst im Bistum Passau besitzt.”