
Loreto-Wallfahrt
Die Loretokapelle ist ein bekannter Wallfahrtsort und das Opfergeld der Kapelle wurde zum Bau der Pfarrkirche verwendet.
Maria Loreto und Thyrnau
Auszug aus einem Vortrag von Dr. Herbert W. Wurster
“Seit dem 14. Jahrhundert gehört Maria Loreto zu den berühmtesten Wallfahrtsorten Italiens und damit zu den älteren Marienwallfahrten. In dieser Zeit erfährt die Legende die endgültige Gestaltung: Demnach haben am 10. Mai 1291, nachdem das Heilige Land endgültig unter die Herrschaft des Islam geraten war, Engel das Haus der hl. Familie zu Nazareth in die Lüfte gehoben und fortgetragen. Zunächst ging es über das ganze Mittelmeer nach Dalmatien. Bei Trsat in der Nähe von Rijeka fand das Häuschen seinen ersten Ruheplatz auf einem Hügel. Aber weil dort kaum jemand hinkam, und so dieses Schatzhaus der Christenheit zu wenig Beachtung und Verehrung fand, trugen es die Engel am 12. Dezember 1294 über die Adria wieder hinweg. Nun fand das Heilige Haus seinen Landeplatz in der Nähe von Recanati in der Provinz Ancona. Inmitten eines Lorbeerhains hatten die Engel die Casa santa gelandet, so daß es von diesem Gehölz seinen Namen, Loreto, erhielt. Durch zahlreiche Wunder und Heilungen wurde die Gnadenstätte berühmt und zog viele Wallfahrer an. Wegen der Einsamkeit der Gegend aber waren sie oft Räubern ausgesetzt. Daher fand sich die Casa bald näher bei Recanati. Weil aber die Besitzer dieses Grundes sich um die Opfergaben der Pilger stritten, wechselte das Heilige Haus seinen Standort nochmals und fand am 7. September 1295 seinen endgültigen Standort auf dem Hügel zu Loreto, wo es noch heute steht.
Im 15. Jahrhundert erreichte die Verehrung vom Maria Loreto ihren ersten Höhepunkt. Die Päpste förderten den von ihnen nun auch selbst besuchten Ort. Ab 1468 baute man eine neue, größere Kirche. Um die Wende zum 16. Jahrhundert erhält die Casa Santa, bis dahin ein schlichter Bau, eine prachtvolle Marmorverkleidung, die von da an bis heute die äußere Erscheinung bestimmt. Im Inneren wird in dieser Zeit ebenfalls umgebaut: Ein Tonnengewölbe löst die Holzdecke ab, und zwei Türen werden für die Pilgerscharen geöffnet, eine weitere für die Priester. 1549 ist die Renaissance-Umgestaltung vollendet.
Seit dem frühen 16. Jahrhundert tritt die Casa Santa bei der Verehrung von Maria Loreto etwas in den Hintergrund, die Himmelskönigin wird nun stärker betont. Die besondere Hinwendung zur Gottesmutter findet ihren Ausdruck in der “Lauretanischen Litanei”. Sie ist 1531 erstmals belegt, baut aber auf älteren Gebeten und Texten des Marienpreises auf. Loretowallfahrer, besonders aber der hl. Petrus Canisius und die Jesuiten verbreiten die Litanei auch im katholischen Deutschland, wo sie — wie in der ganzen katholischen Kirche — zu einer der beliebtesten Litaneien wird und zu einem der Kennzeichen der im Zuge der katholischen Reform sich erneuernden Kirche. 1558 wird die Litanei erstmals in Deutschland gedruckt, zu Dillingen, dem Sitz der Augsburger Bischöfe, die der Maria Loreto-Verehrung in ihrem Bistum Nachdruck verleihen. So entsteht dort 1585 der erste Nachbau der “Casa Santa” in Deutschland. Das habsburgische Kaiserhaus wendet sich ebenfalls Maria Loreto zu — 1589 läßt Kaiser Ferdinand II. in der Nähe von Schloß Ambras bei Innsbruck eine Casa Santa erbauen. Weitere Bauten folgen an einigen Orten, die große Welle Casa Santa-Nachbauten setzt aber erst nach 1632 ein. Seit dieser Zeit ist nämlich der genaue Plan des Heiligen Hauses verfügbar, den der Jesuit Wilhelm von Gumppenberg in seinen “Atlas Marianus” aufgenommen hat. Bis zum Jahre 1701 werden im heutigen Bayern, vor allem zwischen Iller, Donau und Isar, 28 Loreto-Kapellen erbaut. Dann aber flaut das Interesse an Maria Loreto ab, 1753 schließlich wird die letzte Casa Santa in Bayern geschaffen. Dabei ist zu beachten, daß im Herzogtum Bayern in dieser Zeit die vom Landesherrn, besonders vom Kurfürsten Maximilian, geförderte Form der Marienverehrung die der Maria Altötting, der Patrona Bavariae, war.
Fürstbischof Johann Philipp Graf von Lamberg (1689−1712) aus einem der führenden Hochadelsgeschlechter Österreichs ist einer der bekanntesten deutschen Staatsmänner um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Am 25. Mai 1689 wurde Lamberg zum Passauer Bischof gewählt und am 16. August des gleichen Jahres übernahm er die Regierung in Diözese und Hochstift Passau. 1700 wird Bischof Johann Philipp vom Kaiser zum Kardinal empfohlen. Im Jahre 1710 erhält er schließlich den Titel eines “Protector Germaniae”.
Am 26. November 1622 verpflichtete sich Urban Schätzl zu Hörmansperg auf Wazmanstorff und Thürnen, Passauischer Rat, Kammerer und Pfleger der Herrschaft Leoprechting (1561−1638) mit Urkunde gegenüber dem Bischöflichen Ordinariat Passau zum Unterhalt der von ihm in diesem Jahr bereits erbauten Kapelle zu Ehren Unserer Lieben Frauen in seiner Hofmark Thyrnau. Er reihte sich damit ein in die Reihe der bayerischen Adeligen, die ihre Frömmigkeit nicht in den Rahmen der von den bayerischen Herzögen gepflegten Verehrung der Maria Altötting eingrenzen lassen wollten, sondern dem Weg habsburgischer Frömmigkeit und barocken Glanzes folgten. In Thyrnau erstand zwar nur ein bescheidener Bau, der aber sollte für die künftige Entwicklung des Ortes entscheidend werden. Nach dem Vorbild der Casa Santa zu Loreto erbaute Urban Schätzl seine Kapelle auf der Kuppe eines Hügels; daher war er gezwungen, sich von der Watzmannstorfer Kirche St. Christopher zu lösen, denn diese liegt ja am ansteigenden Hang unterhalb des Ortes Thyrnau. Im Lauf der Jahrhunderte verschob sich der Ortskern nach Thyrnau, um die neue Mitte der Loreto-Kapelle und später auch noch der Pfarrkirche. Von hier zog sich die neue Ortsachse hin zum Kloster, dem früheren Hofmarksschloß.
1949 findet aus Anlaß der 250Jahrfeier der Loreto-Kapelle eine Lichterprozession durch den Ort statt, an der 2.000 Gläubige teilnehmen. Vielleicht ist aber die Renovierung der Kapelle in den Jahren von 1973 bis 1981 Ausgangspunkt für eine Verlebendigung der Maria Loreto-Verehrung in Thyrnau, das mit der Casa Santa ein einzigartiges Denkmal der religiösen Baukunst im Bistum Passau besitzt.”